Strafrecht: Vortäuschen Polizist zu sein gleich amtsanmaßender Betrüger?
Relevante Normen:
§§ 132, 242, 263, 263a StGB; § 265 StPO
Entscheidung:
BGH, Beschluss vom 09.08.2016 – 3 StR 109/16
Vorstellung:
Ein Beschuldigter hatte mehreren Geschädigten vorgetäuscht, dass er Polizist sei und dass die Polizei routinemäßig EC-Karten habe sperren müssen. Unter dem Vorwand der Möglichkeit der Entsperrung erlangte er die PINs für bereits zuvor von ihm entwendete Karten. Der BGH befasste sich insbesondere mit der Prüfung von § 132 StGB und § 263 StGB.
Sachverhalt:
Der Beschuldigte trat gegenüber den Geschädigten, welchen er zuvor die EC-Karte entwendet hatte, als Polizist auf. Er behauptete jeweils, die Polizei habe die Karte aufgefunden und anschließend routinemäßig sperren lassen. Er bot den Opfern an, die Karten wieder entsperren lassen zu können. Dadurch erlangte er in mehreren Fällen die zur Karte gehörige PIN.
Rechtliche Bewertung:
Zunächst befasste sich der BGH mit der Frage, ob der Beschuldigte durch das Vortäuschen der Polizisteneigenschaft den Tatbestand der Amtsanmaßung gemäß § 132 StGB verwirklicht habe. Entgegen dem Vorbringen der Verteidigung hielt das Gericht daran fest, dass bereits eine wie hier vom Täter praktizierte, allgemein gehaltene, Kennzeichnung als Funktionsträger von Polizeigewalt zur Qualifikation als „Ausübung eines öffentliches Amtes“ gemäß § 132 Alt. 1 StGB genüge.
Dies ergebe sich insbesondere aus einem Vergleich zu § 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB, welche darüber hinaus noch die Verwendung einer förmlichen Amtsbezeichnung verlange. Für das amtliche Betätigen genüge es weiterhin, dass das Handeln des Täters für einen objektiven Dritten als Ausübung hoheitlicher Tätigkeit erscheine, unabhängig davon, ob ein solches Handeln tatsächlich in den Zuständigkeitsbereich der vorgespiegelten Behörde falle. Diesen Anforderungen hätte der Beschuldigte in mehreren Fällen zweifellos genügt, insofern habe er sich jeweils nach § 132 Alt. 1 StGB strafbar gemacht.
Im Weiteren setzte sich der BGH mit einer Strafbarkeit des Angeklagten gemäß § 263 StGB durch Erlangen der PINs durch Täuschung der Geschädigten auseinander. Dagegen argumentierte noch das LG Osnabrück, dass der Angeklagte sich des Computerbetrugs gemäß § 263a StGB strafbar gemacht habe. Denn er habe nur die PIN, nicht allerdings die zuvor entwendeten Bankkarten betrügerisch erlangt. Dem widersprach nun der BGH in Übereinstimmung mit dem vorherigen Antrag des Generalbundesanwalts. Durch das Nennen der PIN hätten die Geschädigten, nicht anders als bei gleichzeitiger Einräumung des Besitzes und der PIN der Karte zugleich, dem Angeklagten irrtumsbedingt die faktische Verfügungsmöglichkeit eingeräumt.
Dadurch habe der Beschuldigte später Geldabhebungen vornehmen können. Eine Vermögensverfügung, mithin ein Betrug gemäß § 263 StGB läge somit vor. Diese Wertung sei auch nicht deshalb ungerechtfertigt, weil der Angeklagte vorgetäuscht habe, die Karten seien bereits gesperrt gewesen. Schließlich habe er selbst vorgegeben, dass diese Sperrung demnächst beseitigt werden würde und die Verfügungsmöglichkeit anschließend wieder bestehe.
Somit war der Angeklagte in einigen Fällen, in welchen ihn die Strafkammer wegen Computerbetrugs gemäß § 263a StGB verurteilt hatte, wegen der Strafklage erschöpfenden Erledigung der Anklage gemäß § 265 StPO freizusprechen.
Fazit:
Für die „Ausübung eines öffentlichen Amtes“ im Sinne von § 132 Alt. 1 StGB genügt eine allgemein gehaltene Kennzeichnung des entsprechenden Funktionsträgers. Eine förmliche Amtsbezeichnung oder der Zugehörigkeitsnachweis zu einer bestimmten Dienststelle ist nicht notwendig. Eine amtliche Betätigung i.S.d. § 132 StGB liegt vor, wenn ein objektiver Dritter das Handeln als Ausübung hoheitlicher Tätigkeit wahrnimmt. Die Täuschung einer Person zur Erlangung der PIN zu einer bereits besessenen EC-Karte ist gemäß § 263 StGB strafbar, da das Opfer dem Täter per Vermögensverfügung bereits die faktische Verfügungsmöglichkeit einräumt hat.