Zivilrecht: „Silberfischbefall“ ein Sachmangel oder lediglich tierisches Inventar?
Relevante Normen:
§§ 123, 241, 280, 311, 434, 437, 812 BGB
Entscheidung:
OLG Hamm, Urteil vom 12.06.2017 – 22 U 64/14
Vorstellung:
Das OLG Hamm befasste sich mit der Frage, ob eine Eigentumswohnung durch einen Befall mit Silberfischen mangelhaft sei. Die Klägerin war, nachdem sie den massiven Silberfischbefall in der Wohnung vorgefunden hatte, vom Kaufvertrag zurückgetreten und machte nun ihre Rückabwicklungsansprüche gerichtlich geltend.
Sachverhalt:
Die Klägerin erwarb mit notariellem Kaufvertrag im Dezember 2013 eine 1994 errichtete Eigentumswohnung vom Beklagten, welche im März 2014 übergeben wurde. In den Vertrag wurde auch eine Klausel mit aufgenommen, dass der Käuferin der Zustand der Wohnung nach Besichtigung bekannt sei. Insbesondere sei ihr demnach bekannt, dass die Wohnung seit ihrer Errichtung in der Bausubstanz nicht mehr grundlegend erneuert wurde. Durch den Verkäufer wurden die Sachmängelgewährleistungsrechte im Vertrag ausgeschlossen. Einige Zeit später stellte die Klägerin einen massiven Silberfischbefall fest, welcher sich auch nicht durch Hinzuziehung professioneller Kammerjäger entfernen ließ. Die Klägerin trat vom Kaufvertrag zurück und verlangte nun die daraus folgenden Rückabwicklungsansprüche.
Rechtliche Bewertung:
Das Urteil des Oberlandesgerichtes beschäftigte sich vor allem mit der Frage, ob die Voraussetzungen eines Gewährleistungsanspruchs gemäß §§ 433, 435, 437 Nr. 2, Nr. 3, 440 BGB vorliegen würden. Unstrittig könne sich ein solcher Anspruch nur bei einem Sachmangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs gemäß § 434 Abs. 1, 446 S.1 BGB ergeben. Eine Garantie oder eine Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Abs. 1 S. 1 BGB kamen nicht in Betracht. Unproblematisch wurde festgestellt, dass schon ein vorübergehender, weniger intensiver, Insektenbefall ein mit der Kaufsache physisch in Zusammenhang stehender wertbeeinflussender Umweltfaktor sei, der unter den Begriff des § 434 Abs. 1 S. 2 BGB zu subsumieren sei.
Weiterhin war zu prüfen, ob die tatsächliche Beschaffenheit von der vertraglich geschuldeten abwich. Diesbezüglich legte das Gericht die vertraglich zugrundeliegende Zweckbestimmung gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB dahingehend aus, dass die Beschaffenheit der Wohnung primär für Wohnzwecke geeignet seien müsse. Das Gericht stellte fest, dass das Antreffen eines gewissen Grundbestands an Silberfischen in fast 20 Jahre alten Wohnungen erwartbar, fast schon üblich sei. Silberfische seien typische, unauffällige und hygienisch unbedenkliche Mitbewohner menschlicher Wohnungen. Diesen würde auch im bewohnten Zustand optimale Lebensbedingungen geboten. Insbesondere gingen keine Gesundheitsgefahren von den Tieren aus. Ob nun Silberfische vorhanden sind oder nicht, ist für die Bestimmung der Mangelfreiheit der Wohnung nicht erforderlich.
Im Weiteren ließ das Gericht die Frage offen, welches Ausmaß an Silberfischbefall konkret notwendig gewesen wäre, um einen Sachmangel im Ausnahmefall überhaupt begründen zu können. Ein sich darauf beziehender erheblicher Befall mit Silberfischen habe die Klägerin nicht geltend gemacht. Dieser Beweislast kam sie gerade nicht nach. Der Klägerin fielen erste Anzeichen für den Silberfischbefall erst mehrere Wochen nach der Übergabe auf, was stark für eine bis dato unauffällige und nicht mangelrelevante Population sprechen würde. Auch hinzugezogene Sachverständigengutachten hielten es für möglich, dass sich die Silberfischpopulation erst nach Übergabe exponentiell vermehrte. Dafür spreche insbesondere auch, dass sich die Lebensbedingungen in der zuvor unbewohnten Wohnung für einen potentiell bereits vorhandenen Grundbestand an Silberfischen erst nach dem Einzug der Klägerin erheblich verbesserten, da Wärme und renovierungsbedingte Feuchtigkeit in die Wohnung gebracht worden seien. Zudem stellte das Gericht ergänzend fest, dass den Ansprüchen jedenfalls die vertraglich vereinbarten Gewährleistungsausschlüsse entgegenstehen würden. Zumal Ansprüche aus selben Erwägungen gem. §§ 242 Abs. 2, 311 Abs. 2, 249; 123 i.V.m. 812ff.; §§ 823ff. BGB ausscheiden würden. Somit hatte die Klägerin im Ergebnis keinen Anspruch auf Rückzahlung des bereits gezahlten Kaufpreises.
Fazit:
Das Vorhandensein eines Insektenbefalls gehört grundsätzlich zur Beschaffenheit der Wohnung, obgleich im Einzelfall nach allgemeinen Kriterien zu prüfen ist, ob der, einzig zum Zeitpunkt des Gefahrenüberganges relevante, vorgefundene Befall auch einen Sachmangel darstellt. Dabei ist insbesondere auf die objektive Gesundheitsschädlichkeit abzustellen. Ein Sachmangel ist jedenfalls bei einem Grundbestand an Silberfischen in einer älteren Wohnung abzulehnen.